Argumente

1. Armut und Existenzangst bekämpfen

Österreich hat mit einer Nettoersatzrate von 55% (das sind in Regel unter 55% des letzten Nettoeinkommens) ein sehr niedriges Arbeitslosengeld; der OECD-Mittelwert liegt bei rund 70%. Arbeitslosigkeit führt daher rasch in die Armut. Insbesondere Frauen sind aufgrund der hohen Teilzeitrate und oftmals geringerer Löhne davon betroffen. Laut einer AK-Umfrage können acht von zehn Arbeitslosen von der Arbeitslosenunterstützung nicht leben. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld bzw. die durchschnittliche Notstandshilfe liegt deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.286 Euro pro Monat (2018): Im Durchschnitt hatten Männer damals im Falle von Arbeitslosigkeit 1.040 Euro zur Verfügung; Frauen 870 Euro. Insbesondere Langzeitarbeitslose sind von Existenznot betroffen. Und die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist dramatisch gestiegen: Sie ist im letzten Jahrzehnt in Österreich um mehr als das Elf-Fache in die Höhe geschnellt. Frauen, Jugendliche und ältere Personen sind besonders gefährdet. Aber auch unter Personen im Haupterwerbsalter (zwischen 25 und 45 Jahren) stieg die Langzeitarbeitslosigkeit vehement an.

Grafik zum Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armut

2. Schutz vor Lohndumping und Niedriglöhnen!

Ein höheres Arbeitslosengeld, ein besserer Schutz des sozialen Status von Arbeitslosen und eine Entschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen verbessern die Verhandlungssituation der Arbeitslosen bei der Arbeitssuche, indem sie die Menschen davor bewahrt, zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes unfaire Arbeits- und Lohnbedingungen akzeptieren zu müssen. Ein höheres Arbeitslosengeld beeinflusst damit positiv die Lohnbildung, weil es den mittleren Lebensstandard mitdefiniert, der in kollektiven Lohnverhandlungen mindestens erreicht werden muss. Der legitime Anspruch auf ein gut bezahltes und gut reguliertes Arbeitsverhältnis würde in der Arbeitslosenversicherung stärker verankert. Umgekehrt gilt: Je höher die Arbeitslosigkeit, je niedriger die Arbeitslosenunterstützung und je schlechter die Rechtsstellung von Arbeitslosen, desto stärker wird der Druck auf die Löhne und Gehälter, desto leichter können Kollektivverträge ausgehöhlt werden. Ein weiteres Anwachsen des Niedriglohnsektors wie in Deutschland muss verhindert werden.

3. Soziale Lage von Frauen verbessern

Die Löhne und Gehälter von Frauen liegen immer noch deutlich unter denen von Männern. Zum einen, da diese aufgrund von Pflege- und Betreuungsarbeit vielfach Teilzeit erwerbstätig sind. Zum anderen, da Branchen, in denen mehr Frauen arbeiten oftmals einen geringen Mindestlohn aufweisen. Entsprechend niedrig ist auch das Arbeitslosengeld von Frauen und später die Pensionen. Frauen sind daher besonders armutsgefährdet. Die Anhebung des Arbeitslosengeldes und damit der Kampf gegen Niedriglöhne sind ein wichtiger Beitrag, um die prekäre soziale Lage vieler Frauen zu verbessern. Weitere Maßnahmen sind darüber hinaus notwendig, z.B.: qualitativ hochwertige Kinderbetreuung auch im Falle von Arbeitslosigkeit, mit Kinderbetreuungspflichten vereinbare Anfahrtszeiten, stärkerer Einbezug von Betreuungsarbeit und Pflege in die Sozialversicherung.

4. Wirtschaftliche Nachfrage stärken!

Ein höheres Arbeitslosengeld vermeidet nicht nur Armut, sondern bedeutet auch mehr Konsummöglichkeiten. Dies verbessert die Auftragslage von Unternehmen, schafft weitere Jobs und trägt somit positiv zur Krisenbewältigung bei. Im Jahr 2020 waren über eine Million Menschen in Österreich von Arbeitslosigkeit betroffen. Im Jahresdurchschnitt lag die Arbeitslosigkeit bei über 466.000 Menschen. Laut wissenschaftlichen Studien könnte eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70% zusätzlich 6.000 – 10.000 Arbeitsplätze schaffen. Durch niedriges Arbeitslosengeld und Lohndumping werden zwar einige Reiche reicher, aber sicher nicht die Wirtschaft krisenfester.

5. Dauerhaft statt degressiv

Wir sind für eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes, ein degressives Modell, das das Arbeitslosengeld mit der Länge der Arbeitslosigkeit immer weiter absenkt, lehnen wir ab. Denn damit würden jene unter die Räder kommen, die schwerer am Arbeitsmarkt Fuß fassen können: Ältere Arbeitslose, Frauen (mit und ohne Betreuungspflichten), Menschen mit geringerer Ausbildung, Menschen mit Beeinträchtigungen und Krankheiten. Damit trägt ein degressives Arbeitslosengeld dazu bei, dass soziale Ungleichheiten und Ausgrenzung verschärft werden. Das Verarmungsrisiko steigt mit jedem Monat Arbeitslosigkeit an. Die Armutsgefährdung ist nach einem Jahr Arbeitslosigkeit bereits mehr als doppelt so hoch wie im ersten halben Jahr. Es kann nicht sein, dass die Versicherungsleistung immer weniger wird, je mehr die Existenznot der Menschen zunimmt.

6. Zumutbarkeits-bestimmungen entschärfen, Rechtsstellung von Arbeitslosen verbessern!

Arbeitslose müssen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und bestimmte rechtliche Vorgaben (z.B. Arbeitswilligkeit, Einhaltung von Kontrollmeldetermine) erfüllen, um das Arbeitslosengeld beziehen zu können. In den letzten Jahrzehnten sind die rechtlichen Vorgaben verschärft worden, insbesondere wurde die Ablehnung von Schulungsmaßnahmen mit jenen von echten Jobangeboten gleichgestellt, eine Zunahme an Bezugssperren des Arbeitslosengeldes war die Konsequenz. Das AMS verständigt die bezugsberechtigte Person von der Einstellung, stellt aber einen Bescheid nur über Verlangen aus. Insbesondere bei einem Entzug wegen der angeblichen Arbeitsunwilligkeit wäre es wünschenswert, wenn das AMS sofort einen begründeten Bescheid ausstellen würde. Ein mehrwöchiger Entzug des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe bringt die Betroffenen in existenzielle Schwierigkeiten und höhlt den Versicherungsschutz der Arbeitnehmer*innen zunehmend aus. Schulungen und die Beschäftigung in sozialökonomischen Betrieben sollten nicht auf Zwang beruhen. Die Zumutbarkeitsbestimmungen regeln über den Entgeltschutz auch, welchen Lohn und welche Arbeiten Arbeitslose bei Zuweisung akzeptieren müssen. Eine Entschärfung der Zumutbarkeitskriterien verhindert mithin Lohndrückerei.

7. Versicherungsleistung stärken – Altersarmut vorbeugen!

Verschiedentlich wird eingewendet: Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes würde nur die Länderbudgets entlasten. Viele Arbeitslose bekommen ein derartig geringes Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, dass sie gezwungen sind, um Aufstockung durch die Mindestsicherung – in NÖ und OÖ bereits Sozialhilfe – anzusuchen. Das übersieht aber, dass sich das Arbeitslosengeld/die Notstandshilfe in vielem von der Sozialhilfe unterscheidet. Das eine ist eine Versicherungsleistung, auf die ein Rechtsanspruch erworben wurde. Der Bezug von Mindestsicherung/Sozialhilfe unterliegt sehr viel restriktiveren Bestimmungen (z.B. Einberechnung des Haushaltseinkommens, Ausschluss selbst bei geringem Vermögen). Im Unterschied zur Mindestsicherung/Sozialhilfe werden beim Bezug von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe Pensionsversicherungszeiten und Gutschriften auf dem Pensionskonto erworben, die von der Höhe von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe abhängen. Eine höhere Arbeitslosenunterstützung beugt damit auch der Altersarmut vor. Daher besonders wichtig: Die Möglichkeit der Beantragung/Verlängerung einer Notstandshilfe muss erhalten bleiben.

8. Jede*r wird gebraucht – niemand ist überflüssig!

Oft hören wir: Wenn das Arbeitslosengeld erhöht wird, werden die Leute gar nicht mehr arbeiten wollen. Studien zeigen hingegen, dass vor allem Beschränkungen im Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen und weitere Hürden (z.B. aufgrund von Krankheit und Alter), dazu führen, dass Arbeitssuchende dem Arbeitsmarkt nicht sofort zur Verfügung stehen. Das gewichtigste Argument ist jedoch das Missverhältnis von Arbeitslosen und offenen Stellen: Im Jahr 2020 kamen auf eine offene Stelle mehr als sieben Arbeitslose. Im Jänner 2021 stellten sich sogar 9 Arbeitslose um eine offene Stelle an. Das heißt, 8 von 9 können nicht arbeiten, so sehr sie auch wollen. Es liegt nicht an den Arbeitslosen, dass sie arbeitslos sind, sondern an den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, dass viele gesellschaftlich notwendige Arbeiten unerledigt bleiben, während gleichzeitig viele Menschen aus dem Arbeitsprozess rausgedrängt werden und durch Privatisierung und Budgetkürzungen Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor vernichtet wurden. Es gibt kein dauerhaftes Modell der Wohlfahrtssteigerung, in dem nicht alle Menschen an dieser Steigerung beteiligt werden. Niemand darf zurückgelassen werden! Jede/r wird gebraucht, niemand ist überflüssig! Die Forderungen dieses Volksbegehrens fördern und erfordern daher eine umfassende Politik, die niemanden zurücklässt, zum Beispiel:

  • Beteiligung der Arbeitenden an den Produktivitätsgewinnen durch entsprechende Lohnerhöhungen in den Kollektivverträgen, insbesondere starke Anhebung der Mindestlöhne, um Niedriglohnsektoren zu verhindern
  • Einführung einer armutsfesten Mindestsicherung
  • Reform der Arbeitslosenversicherung, z.B. stärkere Einbeziehung von Pflegearbeit in die Sozialversicherung; Verbesserung der Erwerbslosenversicherungsmöglichkeit für prekär Beschäftigte und Selbstständige, insbesondere EPUs und Personen die mit Dienstleistungsschecks ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, um Notsituatione überbrücken und ein stabileres Einkommen sichern zu können;
  • Vollbeschäftigungspolitik z. B. durch eine ökosoziale Investitionsoffensive, Arbeitszeitverkürzung, Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik.